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Extremistische Abtreibungsgegner in den USA: Morden für das Leben

Supreme Court Abtreibungsgegner schreckten in der Vergangenheit auch vor Gewalt nicht zurück. Heute setzen sie auf den Supreme Court, der das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ abschaffen will. Was bedeutet das für Frauen in den USA? Im Freitag 19/2022

Durch ein Leak wurde Anfang Mai bekannt, dass die konservative Mehrheit im Supreme Court der USA das Urteil „Roe v. Wade“ kippen will – und damit das verfassungsgemäße Recht auf Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Abtreibungsgegner*innen hatten seit dem Urteil von 1973 versucht, die mögliche Ausübung dieses Rechts einzuschränken. Dabei scheuten sie sogar vor terroristischen Mitteln nicht zurück.

Zwei Jahre nach dem Urteil veröffentlichte die National Conference of Catholic Bishops(NCCB) einen Plan, wie man gegen Roe v. Wade und seine Auswirkungen vorgehen könnte. Die Organisation schlug eine Kampagne für einen „Pro-Life“-Verfassungszusatz vor. Dieser sollte Kongress, Abgeordnetenhaus und den Bundesstaaten verbieten, Gesetze zu erlassen, die Abtreibungen erlauben, und das „Recht auf Leben“ ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle in der Verfassung verankern. Dafür sollte ein Netzwerk von Komitees aufgebaut werden, um auf lokaler Ebene die Auswahl von Kandidat*innen und Wahlen beeinflussen zu können.

Als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, schienen die Bemühungen der Bewegung Früchte zu tragen. Reagan verkörperte mit seinem Lebensstil als geschiedener ehemaliger Hollywood-Schauspieler zwar so gar nicht die Werte der christlichen Rechten. Jedoch war er während des Wahlkampfs gezielt auf die Themen und Forderungen der Evangelikalen eingegangen: Evolutionstheorie? Glaubte Reagan nicht dran.

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Im Zweifel gegen den Zweifel

Bei Vorwürfen von sexualisierten Übergriffen sollte man auch kom­plizierte Geschichten des Opfers glauben. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 25.05.2022

Eine anonyme Gruppe erhebt auf Instagram Vorwürfe gegen den Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet, in der Linkspartei spitzen sich die Konflikte über den Umgang mit mutmaßlichen Übergriffen zu, über die sexualisierte Gewalt auf dem Festival »Monis Rache« ­erscheinen demnächst ein Buch und ein Dokumentarfilm. Die Diskussion über die Bewertung von und den Umgang mit Sexismus, sexua­lisierten Übergriffen und Grenzverletzungen, mit Tätern und Betroffenen ist innerhalb des linken und linksradikalen ­Milieus so dringlich wie lange nicht.

Unvermeidlich scheint dabei die Verharmlosung von Übergriffen und die Infragestellung von Erfahrungen der Betroffenen zu sein. In der Theorie sind in der Linken selbstverständlich alle gegen Sexismus und Übergriffe, deswegen darf es halt so nicht passiert sein, sonst müsste man als Partei, als Politgruppe oder als Kollektiv ja etwas unternehmen. Beliebt ist die Methode, das Opfer zu diskreditieren, die Geschichte als unglaubwürdig und übertrieben darzustellen – wenn man es nicht geschafft hat, die Tat ganz aus der Öffentlichkeit zu halten.

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Keine Einzelfälle

Ein Jahr nach den Morden im Potsdamer Oberlinhaus hat sich für Menschen mit Behinderung nicht viel verbessert im nd vom 30.04.2022

Mit einem Gedenkgottesdienst unter freiem Himmel gedachte das Oberlinhaus in Potsdam am Donnerstag den vor einem Jahr ermordeten Bewohner*innen. Eine langjährige Pflegerin tötete vier Menschen mit Behinderung: Andreas K., Christian S., Martina W. und Lucille H. Elke T. überlebte schwer verletzt.

Das Landgericht Potsdam hat die Pflegehelferin Ines R. im Dezember letzten Jahreswegen vierfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen einer schweren psychischen Störung gilt sie als vermindert schuldfähig. Das Gericht ordnete die Einweisung der 52-Jährigen in die Psychiatrie an.

Das Oberlinhaus ist eine diakonische Einrichtung, mit Kirche, Klinik, Werkstätten für behinderte Menschen und Wohngruppen – eine Welt für sich. Im Gedenkgottesdienst wurden vier gläserne regenbogenfarbene Stelen enthüllt, in die die Namen der Ermordeten eingraviert sind.

»Wir wollen der ermordeten Menschen gedenken, aber auch die Rückkehr ins Leben feiern«, sagte der Theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, am Donnerstag zu Beginn des Gottesdienstes. Dazu waren rund 200 Bewohner*innen, Angehörige, Politiker*innen und Bürger*innen gekommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach den Angehörigen das »tief empfundene« Beileid der Landesregierung aus, wie die Senatskanzlei mitteilte. Die Gesellschaft müsse nach einem solchen Verbrechen nach Ursachen fragen und die Umstände aufklären, die eine derartige Straftat begünstigten, postulierte Woidke: »Die Aufarbeitung fand und findet auf allen Ebenen statt.«

Ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte die Behinderten- und Menschenrechtsorganisation AbilityWatch ein journalistisches Rechercheprojekt zu Gewalt an Menschen mit Behinderungen. Unter dem Hashtag AbleismusTötet und auf der Webseite ableismus.de sind 36 Fälle in 33 Einrichtungen und 91 Betroffene zusammen getragen.

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Das neue Normal

Derzeit bestehen viele darauf, man solle zur »Normalität« der Zeit vor der Covid-19-Pandemie zurückkehren. Doch für Menschen, die sich keine chro­nische Erkrankung zuziehen wollen, ist das keine Option. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World vom 28.4.2022

Krank werden, trotzdem arbeiten gehen und dabei die Kolleginnen und Kollegen anstecken – zumindest Letzteres hat Christian Lindner, der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende, nicht gemacht. Zwar hat er Covid-19-infiziert, verschwitzt und sichtlich angeschlagen seine Rede auf dem Parteitag der FDP am Wochenende gehalten. Da er aber in Washington, D.C., in Quarantäne blieb, war er nur ­online zugeschaltet und konnte hier niemanden anstecken. Das wäre bei einer Maskenquote von schätzungsweise fünf Prozent auf dem Parteitag wohl schnell gegangen.

Auf der Arbeit, in der Schule, Uni oder im Supermarkt Leute anzustecken, die dann selber wiederum krank arbeiten gehen: Das dürfte die Zukunft mit Sars-CoV-2 sein, wenn sich die Gesetzeslage hinsichtlich Masken- und Testpflicht sowie Verpflichtung zu Home­office, Luftfilteranlagen und hybriden Formaten nicht grundsätzlich ändert. Selbst wenn sich so eine Herdenimmunität herstellen ließe – was angesichts der Mutationsfreude des Virus nicht der Fall zu sein scheint –, wäre das keine gute Idee.

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Wie lässt sich in der Pflege etwas bewegen?

Wie steht es um die Pflege? Wie fühlen sich Gepflegte, wie die Pflegenden? Was tut die Politik für beide Gruppen? Mit Applaus vom Balkon ist es nicht getan, aber liegt die Lösung allein im Geld?

Diese Fragen diskutieren der Autor und Pfleger Frédéric Valin, dessen Buch „Pflegeprotokolle“ soeben erschienen ist, und Raúl Krauthausen, Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und Autor des Buches „Wie kann ich was bewegen?“ (gem. mit Benjamin Schwarz, Edition Körber). Es moderiert die Journalistin und Autorin Kirsten Achtelik. Videodokumentation der Veranstaltung

Eine Einmischen!-Veranstaltung der Stiftung Kommunikationsaufbau und der Körber-Stiftung.

Fuck Freedom Day

Bis zum 20. März sollen fast alle Corona­maßnahmen abgeschafft werden. Für viele bedeutet das mehr Freiheit, für Risiko­gruppen das genaue Gegenteil. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 08/2022

Die Covid-19-Pandemie ist in einer Phase, in der die allermeisten erschöpft und gereizt sind. Der zweite Covid-Winter geht ihnen hart auf die Nerven. Daraus werden jedoch sehr unterschiedliche Schlüsse gezogen: »Querdenker« und FDPler sehen die Freiheit ­gefährdet, weil sie ohne Impfnachweis keine Schuhe kaufen können (außer in Bayern, da gehören Schuhe zu den Gütern des täglichen Bedarfs). Viele Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten sowie Eltern von kleinen Kindern haben dagegen den Eindruck, dass sie nicht zählen. Weitgehende Lockerungen bedeuten für sie, gänzlich selbst für den eigenen Schutz sorgen zu müssen.

Die vergangene Woche auf der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen schrittweisen Lockerungen – private Treffen ohne Teilnehmerobergrenze, Wegfall der Zugangskontrollen im Einzelhandel, Öffnung von Clubs und Diskotheken mit 2G-plus-Regelung – erhöhen das Infektionsrisiko zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Inzidenzen sind weiterhin vierstellig, die kritische Infrastruktur ist ­immer noch gefährdet, wenn zu viele Leute gleichzeitig erkranken. Zwar weiß vermutlich sowieso fast niemand, wie viele Menschen sich zurzeit privat treffen dürfen, die 2G-Regel im Handel wird nicht gerade scharf kontrolliert, und der neue Subtyp von Omikron ist so ansteckend, dass es keiner Großveranstaltungen mit 25 000 Zuschauern bedarf, um für massenhafte Infektionen zu sorgen. Aber so zu tun, als wäre das alles wieder unproblematisch möglich, sendet ein völlig falsches Signal. Man beendet Maßnahmen norma­lerweise, wenn sie nicht zweckmäßig oder nicht mehr nötig sind. Genau diesen Eindruck erwecken die Öffnungen und die Rhetorik vom »Freedom Day« am 20. März: Das Schlimmste ist vorbei, jetzt kann alles wieder zum normalen Leben zurückkehren.

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Impfpflicht auch für Assistenz

Vertreter von Menschen mit Behinderungen drängen auf besonderen Schutz, aber auch auf Ausnahmeregelungen in nd vom 11.02.2022

Trotz allem Hin und Her der letzten Tage: Die Impfpflicht für den medizinischen und pflegerischen Bereich kommt. Ab dem 15. März müssen Menschen geimpft oder genesen sein, die als Pfleger*innen, Ärzt*innen oder als Assistenz für Menschen mit Behinderung arbeiten. Damit sollen besonders vulnerable Gruppen geschützt werden und gesundheitlich gefährdete Menschen, die sich nicht aussuchen können, mit wem sie Kontakt haben.

Je näher das Datum rückt, desto deutlicher werden die Sorgen, die eine solche Impfpflicht auslöst. Viele Probleme, wie die personelle Unterversorgung in Pflege- und Assistenzberufen werden dadurch sichtbarer. Gerade Menschen mit Behinderung, die ihren Bedarf nach Unterstützung mit selbstorganisierter Assistenz decken, haben Angst, dringend benötigte Mitarbeitende deswegen entlassen zu müssen. Einzelne haben diese Sorgen so zugespitzt, dass sie wegen der Impfpflicht ihr selbstbestimmtes Leben aufgeben und in ein Heim ziehen müssten. Manche Betroffene sehen dadurch ihre Selbstbestimmung gefährdet. Das Zentrum selbstbestimmt Leben (ZSL) Stuttgart hatte daher Ende Januar ein Online-Gespräch zu den Herausforderungen der Impfpflicht von Assistenzkräften organisiert, an dem 80 Menschen, hauptsächlich mit Behinderung, teilgenommen haben.

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Gegen die Wand

Die Omikron-Welle führt zu berechtigten Einschränkungen, aber auch zu viel Chaos. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 04/22

Die Omikron-Wand ist da – im Berliner Abwasser hat die neue Variante nun Delta messbar abgelöst. Die höhere Ansteckungsgefahr durch Omikron und die befürchtete Überlastung aller Versorgungssysteme wird täglich deutlicher. Das führt zu berechtigten Einschränkungen, aber auch zu viel Chaos.

Diese Entwicklung kündigte sich bereits Ende des vergangenen Jahres an, als ich mich noch von der Chemotherapie und der Brustkrebsoperation erholte. Leider war der Resttumor bei der Operation noch fünf Zentimeter groß, was mein Risiko für ein Rezidiv signifikant erhöht. Das heißt nicht, dass die Chemo nicht gewirkt hätte, sondern, dass der Tumor auch aus Zellen bestand, die auf die Chemo nicht so gut angesprochen haben. Diese sollen nun mit einer Antihormontherapie in Schach gehalten werden: bye-bye Östrogen, hallo Wechseljahre.

Die Tumorkonferenz empfahl mir zusätzlich eine Bestrahlung der ehemaligen Brust, um Krebszellen in diesem Bereich abzutöten. Vor der Operation war mir gesagt worden, dass das nach einer Mastektomie, also der Entfernung der betroffenen Brust, nicht ­nötig sei, wenn die Lymphknoten nicht befallen sind. Auf die Bestrahlung hätte ich gerne verzichtet, vor allem, weil man da ­jeden Tag hin muss. In der Omikron-Welle jeden Tag mit Bus und Bahn ins Krankenhaus fahren und dort auch mal länger warten – keine besonders verlockende Vorstellung. Aber fünf Zentimeter Tumor lassen nicht mit sich diskutieren. Daher fahre ich seit Weihnachten jeden Tag von Nordneukölln nach Südneukölln – schön durch die sich aufbauende Omikron-Wand. Neukölln ist momentan der Bezirk mit der dritthöchsten Inzidenz in Deutschland.

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Nun dürfen Frauen nachlesen

Die Ampel will das Informationsverbot über Schwangerschaftsabbrüche abschaffen. Es ist ein erster Schritt – doch auch er geht nicht weit genug. Kommentar im Freitag vom 20.01.2022

Kaum jemand hätte wohl gedacht, dass der Erfolg eines feministischen Kampfes dieses Gesicht tragen wird: Justizminister Marco Buschmann von der FDP hat einen Entwurf zur Aufhebung des Verbots der „Werbung für den Schwangerschaftsabbruch“ vorgelegt. Den Strafrechtsparagrafen 219a hatten christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen genutzt, um gegen Ärzt*innen vorzugehen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen: Wenn sie über die Art der Durchführung auf ihrer Homepage informierten, konnte man sie über Paragraf 219a anzeigen und strafrechtlich verfolgen. Die große Koalition hatte den Paragrafen zwar bereits 2019 entschärft, eine Streichung war aber an der Union und dem fehlenden Mut der SPD gescheitert.

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Vorgeschobene Argumente

Vielen, die behaupten, die Wissenschaftsfreiheit sei gefährdet, geht es darum, alte Dogmen zu verteidigen. Debattenbeitrag in der Jungle World vom 13.01.2022

In der Debatte über Wissenschaftsfreiheit geht es wenig wissenschaftlich zu: Die Begriffe sind nicht sauber definiert, die Kategorien gehen durchein­ander, die Methode ist unklar. Eine Seminararbeit in diesem Stil würde wohl keine gute Note erhalten.

Welcher Freiheitsbegriff wird verwendet? Wer darf wen in welcher Weise kritisieren? Was ist legitime Kritik? Wer kann für illegitime Kritik anderer verantwortlich gemacht werden? Wer gilt als Wissenschaftler und wer als Aktivist? Wessen Freiheit wird wodurch gefährdet und wer könnte und sollte ­etwas dagegen tun? Ohne solche Definitionen kann die Debatte zwar ewig weitergehen, produktiv ist sie aber nicht. Auch die vorangegangenen Beiträge waren in dieser Hinsicht wenig hilfreich.

Eine produktive Debatte ist allerdings oft auch nicht das Ziel der Skandalisierungen von vermeintlicher cancel culture, sonst würde wohl nicht so häufig mit Suggestionen, Übertreibungen und Unterstellungen gearbeitet sowie mit Fällen, die bei näherem Hin­sehen nicht belegen, was man zu beweisen versucht. Einige dieser Inkongruenzen hat Felix Schilk in seinem Beitrag bereits aufgezeigt.

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