Bodycheck, die Kolumne zu Biopolitik und Alltag – Prostitution in der Pandemie, in Jungle World 31/2020
Heftiges Atmen, verschwitzte Körper, die sich aneinander reiben – woran die meisten Leute beim Wort »Sex« denken, klingt nicht, als wäre es mit den Hygieneregeln zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie vereinbar. Aber auch die Sexarbeit ist eine Branche, die wieder Geld verdienen will und nun dafür argumentiert, die Regeln zu lockern.
In Österreich und vielen anderen EU-Ländern haben die Bordelle seit dem 1. Juli wieder geöffnet. Der Bundesverband sexuelle Dienstleistungen, nach eigenen Angaben ein »Zusammenschluss von Unternehmerinnen und Unternehmen in der Prostitution auf Bundesebene«, dem derzeit etwa 20 Bordellbetreiber angehören, hat die Kampagne »Bordelle öffnen! Sexarbeit gleichstellen!« initiiert. Sexarbeitende bündeln ihre Forderungen auf Twitter unter dem Hashtag #RotlichtAn. In der vergangenen Woche hob das Verwaltungsgericht Berlin in zwei Eilverfahren die pandemiebedingte Schließung eines erotischen Massagesalons und eines BDSM-Studios auf, da es den Gleichheitsgrundsatz verletzt sah.
Bordelle und Verbände wie der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen, in dem aktive oder ehemalige Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter Mitglied werden können, haben Hygienepläne vorgelegt und fordern, ihre Arbeit den anderen körpernahen Dienstleistungen gleichzustellen. Die Berliner Beratungsstelle für Prostituierte, Hydra, berichtet von polizeilichen Drohungen, Einschüchterungen und Taschenkontrollen auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße. In Hamburg muss jede sexarbeitende Person bis zu 5 000 Euro Bußgeld bezahlen, wenn sie beim Arbeiten erwischt wird.