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Kein guter Sommer

Die erste Sommerwelle der Covid-19-Pandemie rollt fast ungebremst durchs Land. Neben der ständigen Gefahr einer Coronainfektion kann das auch auf die Psyche schlagen. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World vom 04. August 22

Tja, nun hat es mich doch erwischt. Nein, nein, eine Covid-19-Infektion habe ich bislang dank viel Vorsicht, Verzicht und vier Impfungen vermieden. Aber nach Brustkrebs, Chemotherapie, Operation, Bestrahlung und zwei Berliner Coronawintern, konfrontiert mit andauernden Nebenwirkungen der vergangenen Therapien und der derzeitigen Antihormontherapie, außerdem der Covid-Sommerwelle, die gesteigerte Lebensfreude und soziale Aktivität für Leute, die sich nach wie vor nicht anstecken wollen, schon wieder erstickt, hat mich die Erkenntnis ereilt, dass ich mit ein bisschen Selbstsorge und viel Willenskraft nicht auskomme: Ich warte nicht mehr länger ab, dass es besser wird, sondern nehme Antidepressiva.

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Gegen die Wand

Die Omikron-Welle führt zu berechtigten Einschränkungen, aber auch zu viel Chaos. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 04/22

Die Omikron-Wand ist da – im Berliner Abwasser hat die neue Variante nun Delta messbar abgelöst. Die höhere Ansteckungsgefahr durch Omikron und die befürchtete Überlastung aller Versorgungssysteme wird täglich deutlicher. Das führt zu berechtigten Einschränkungen, aber auch zu viel Chaos.

Diese Entwicklung kündigte sich bereits Ende des vergangenen Jahres an, als ich mich noch von der Chemotherapie und der Brustkrebsoperation erholte. Leider war der Resttumor bei der Operation noch fünf Zentimeter groß, was mein Risiko für ein Rezidiv signifikant erhöht. Das heißt nicht, dass die Chemo nicht gewirkt hätte, sondern, dass der Tumor auch aus Zellen bestand, die auf die Chemo nicht so gut angesprochen haben. Diese sollen nun mit einer Antihormontherapie in Schach gehalten werden: bye-bye Östrogen, hallo Wechseljahre.

Die Tumorkonferenz empfahl mir zusätzlich eine Bestrahlung der ehemaligen Brust, um Krebszellen in diesem Bereich abzutöten. Vor der Operation war mir gesagt worden, dass das nach einer Mastektomie, also der Entfernung der betroffenen Brust, nicht ­nötig sei, wenn die Lymphknoten nicht befallen sind. Auf die Bestrahlung hätte ich gerne verzichtet, vor allem, weil man da ­jeden Tag hin muss. In der Omikron-Welle jeden Tag mit Bus und Bahn ins Krankenhaus fahren und dort auch mal länger warten – keine besonders verlockende Vorstellung. Aber fünf Zentimeter Tumor lassen nicht mit sich diskutieren. Daher fahre ich seit Weihnachten jeden Tag von Nordneukölln nach Südneukölln – schön durch die sich aufbauende Omikron-Wand. Neukölln ist momentan der Bezirk mit der dritthöchsten Inzidenz in Deutschland.

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Brust ab

Wer sich nach einer Brustamputation gegen einen Wiederaufbau entscheidet, steht unter Rechtfertigungsdruck. Das erlebte auch unsere Autorin. In der taz vom 25.11. 2021

Wenn dieser Text erscheint, ist meine linke Brust Geschichte – oder vielmehr pathologischer Abfall. Vor der Amputation hat sie mir ein paar Monate lang das Leben schwergemacht – oder eher ihr Inhalt: ein bösartiger, aggressiver, schnell wachsender Tumor, der die Brust, als er endlich diagnostiziert wurde, bereits um etwa ein Drittel vergrößert hatte.

Die Möglichkeit, nach der Chemotherapie brusterhaltend zu operieren, gab es wegen der Größe des Tumors nicht. Ein Wiederaufbau kam für mich nicht in Frage, mir war recht schnell klar, dass ich dann links halt flach sein würde. Für meine Chirurgin war meine Entscheidung kein Problem.

Wie bei meiner Abtreibung vor mehr als 20 Jahren musste ich nicht lange überlegen, mich ausführlichst informieren oder schwer mit mir ringen. Damals wollte ich nicht schwanger sein und kein Kind, also war der Abbruch der Schwangerschaft die naheliegende Entscheidung. Diese hatte ich schon getroffen, bevor der Schwangerschaftstest die zwei Linien zeigte.

Alle Artikel, Psycholog*innen, Ärz­t*in­nen und Pa­ti­en­t*in­nen betonen unermüdlich, dass der Umgang mit der betroffenen Brust eine höchstpersönliche, schwere Entscheidung sei, die jede Betroffene mit sich selbst ausmachen müsse – die Betonung der schweren, individuellen Entscheidungen erinnert mich an den Diskurs über ungewollte Schwangerschaften. Wenn der Weg, der hierbei für die Betroffenen am besten ist, der Abbruch ist, muss zumindest gelitten und mit sich gerungen worden sein – eine leichte Entscheidung scheint nicht möglich und wirkt beinahe unethisch. Und wie zur Frau der Kinderwunsch gehören eben auch die Brüste dazu, eine Entscheidung dagegen steht häufig unter Rechtfertigungsdruck.

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Pink gegen die Angst

Der Oktober fungiert jedes Jahr als Brustkrebsmonat, in dem Vorsorge im Mittelpunkt steht. Reine Appelle vereinfachen jedoch das Problem.

Bodycheck – Die Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 42/21

Für viele Krankheiten gibt es einen Tag im Jahr, den oft nur die Betroffenen, ihre Angehörigen und das medizinische Personal kennen. Brustkrebs bekommt sogar einen ganzen Monat, nämlich den Oktober, in dem verschiedene Organisationen verstärkt auf die Wichtigkeit von Vorsorgeuntersuchungen hinweisen. Zum Auftakt des #BreastCancerAwarenessMonth wurden Gebäude wie das Weiße Haus, der Eiffelturm und das IDF-Hauptquartier mit pinkem Licht angestrahlt.

Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung twitterte zu einem Bild von Dilek Kalayci (SPD) mit einer sehr großen pinken Schleife auf der Brust: »Früherkennung erhöht Heilungschancen und kann Leben retten – deshalb unbedingt zur Vorsorge gehen!« Die Protagonisten der Netflix-Serie »Sex Education« veröffentlichten ein Video, in dem sie mittels der leicht zu merkenden Abkürzung TTT (»use the Toilet, brush your Teeth, check your Tits«) sogar empfahlen, das Abtasten der Brust zum Teil der täglichen Morgenhygiene zu machen.

In diesem Jahr erscheint die Erinnerung an das Abtasten der eigenen Brust, die Vorsorgeuntersuchung bei der Gynäkologin oder die Mammographie besonders sinnvoll, da im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie viele Menschen Arztbesuche vermieden haben. Einer neuen Studie der Universität Innsbruck zufolge sank die Detektion von Brusttumoren im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent, dafür stieg die Zahl der Patientinnen mit krebsspezi­fischen Symptomen, und die gefundenen Tumore waren im Durchschnitt größer. Auch ich war pandemiebedingt 2020 nicht bei meiner Gynäkologin. Nach meiner Brustkrebsdiagnose im Mai habe ich mich gefragt, ob das wohl ein großer Fehler gewesen ist.
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Dating unter Chemo

Krebserkrankung, kräftezehrende Behandlung und nicht alltägliche Sexualpraktiken, wie geht das zusammen? Ein Erfahrungsbericht in Neues Deutschland, 09.10.2021

Willkommen im Club: Etwa 69 700 Frauen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Brustkrebs, damit ist es die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Meine Clubaufnahme erfolgte etwas abrupt im Mai 2021. Da war der Tumor schon größer als meine Brust vorher gewesen war, trotzdem hatte ich den Klotz bis zur Mammografie und anschließender Biopsie für harmlos gehalten. Mit der Krebsdiagnose schien das »normale« Leben dann erst mal vorbei: Der Schock will überwunden werden, viele Menschen müssen es erfahren, man muss sich über vieles informieren und Unterstützungsstrukturen aufbauen. Von einigen Seiten wird die Erwartung an einen herangetragen, alle Energie auf den Heilungsprozess zu richten: Die Betroffenen werden angeregt, sich mit gesunder Ernährung, Entspannungstechniken und Sport zu beschäftigen. Arbeit und Sexualität gelten als Beschäftigungen, von denen sich die Patient*innen wahrscheinlich erst mal verabschieden müssen.

Bei meinem ersten Gespräch mit der Ärztin, die die Chemotherapie begleiten und beaufsichtigen würde, habe ich mir notiert: »Libido geht wohl den Bach runter.« Das Thema hatte ich in dem Aufklärungsblock über die ausbleibende Menstruation während der Chemotherapie angesprochen, und ihre Antwort hat mich mehr beunruhigt als manch andere potenzielle Nebenwirkung.mehr … Dating unter Chemo

Temporär behindert

Krebs ist ein Arschloch – die Kolumnistin lässt sich davon jedoch nicht die Laune vermiesen. Kolumne in der Jungle World vom 15.07.2021

Die Autorin dieser Kolumne hat Brustkrebs. Mammakarzinom links, ein großes, schnell wachsendes, aggressives Teil. Der Diagnoseprozess war, dank eines kommunikativ recht unfähigen Arztes, ziemlich schlimm: Von einer kaum vorhandenen Beunruhigung zu ­Todesangst in weniger als einer halben Stunde. Nach der Diagnose ging dann alles sehr schnell: Covid-Impfung dank Aufstieg in Prio­ritätsgruppe 2, glücklicherweise erfolglose Suche nach Metastasen, weitere Untersuchungen, Aufklärungsgespräch mit der Onkologin, Beginn der Chemotherapie. An dem Tag, an dem diese Zeitung erscheint, wird bereits zum dritten Mal das heilsame Gift in mich reinfließen. Die Todesangst hat sich gelegt und Platz gemacht für kleinere Sorgen und die Anpassung an das neue Normal der ­Chemotherapie.mehr … Temporär behindert