Skip to content

Content Header

„Ich bin noch nicht so weit“

Gespräch mit dem Sänger Torsun Burkhardt von Egotronic über Krebs, Chemotherapie und gute Unterstützung, in der taz vom 19. Mai

Torsun und ich, wir kennen uns, wie man sich in linksradikalen, antideutschen Kreisen eben kennt. Wir sind nicht wirklich befreundet, aber begegnen uns seit Jahren immer wieder auf Partys oder in Kneipen. Als Torsun überlegt, ob er seine Krebserkrankung öffentlich machen soll, fragt er mich um Rat, weil ich mit meiner Erkrankung vor zwei Jahren recht offen umgegangen bin. Dabei entsteht die Idee, unser Gespräch öffentlich zu machen. Anfang April klappt es mit dem Interview. Wir sprechen per Videochat, Torsun auf seinem Sofa, ich an meinem Schreibtisch.

wochentaz: Hallo Torsun, wie geht es dir gerade?

Torsun Burkhardt: Schon wieder besser. Die drei aufeinanderfolgenden Tage, an denen ich die Chemotherapie kriege, und etwa sieben Tage danach ist mir so übel und ich hab so wenig Kraft, das ist richtig ekelhaft. Aber jetzt, 13 Tage nach der Chemo, kann ich schon wieder Sachen machen, unter anderem auch dieses Interview. Das wäre vorher nicht gegangen.

Wir machen ja kein klassisches Interview, sondern sprechen als Krebsbetroffene miteinander. Wenn wir uns verquatschen und du dann was nicht abgedruckt haben willst, sag einfach Bescheid.

Das ist ein gutes Konzept, finde ich. Eher so miteinander zu reden, über die Dreckskrankheit, die Behandlung und den Umgang damit. Ich wollte dich ja auch Dinge fragen. Und da ich mich entschieden habe, die Krankheit öffentlich zu machen, kann man das auch alles veröffentlichen, ich bin da sehr pflegeleicht. Viele Sachen, die ich sage, sind vielleicht etwas trocken, aber ich möchte nicht missverstanden werden. Ich bin kein tougher Typ, der das alles heroisch trägt. Ich weine auch öfter, weil es einfach scheiße ist und mir nicht gut geht.mehr … „Ich bin noch nicht so weit“

Fragliche Normen

Interview mit Ulrike Klöppel über den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern

Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche den Gesetzentwurf zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern vor medizinisch unnötigen Eingriffen beschlossen. Wieso wurde der Gesetzesentwurf nötig?

Seit den 1950er Jahren werden Kinder, die mit Genitalien und Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, die nicht der männlichen oder weiblichen Norm entsprechen, zurechtoperiert. Die Annahme war, dass es für Eltern leichter ist, solche Kinder als eindeutige Mädchen oder Jungen zu erziehen, und dass es auch für die Kinder besser ist. In den 1990er Jahren wagten sich intergeschlechtliche Aktivist*innen an die Öffentlichkeit. Sie sprachen über ihre Narben, den Verlust ihrer sexuellen Empfindsamkeit und über die Unsicherheiten und Ängste, die das Verschweigen dieser Eingriffe ausgelöst hatte. Mittlerweile werden solche Operationen als Verletzung der Menschenrechte angesehen. Internationale Menschenrechtsinstitutionen fordern, diese Verletzung der körperlichen Integrität zu unterbinden. Dem will nun das Justizministerium mit diesem Gesetzesentwurf nachkommen.

Ist das gelungen?

Es ist erst mal gut, dass die Regierung das Gesetz noch vor dem Wahlkampf durchbringen will. Probleme des Entwurfs vom Januar, zum Beispiel die weitreichenden Ausnahmen von dem Verbot, sind geändert. Der jetzige Entwurf beschränkt das Verbot auf Genitaloperationen, hormonelle und andere medikamentöse Behandlungen an nicht einwilligungsfähigen intergeschlechtlichen Kindern. Das bezieht sich hauptsächlich auf Kinder unter zehn Jahre. Das Gesetz ist damit nicht umfassend genug, und ich bezweifle, dass es in der Praxis so wirksam sein wird, wie es zum Schutz der Kinder nötig wäre.

mehr … Fragliche Normen