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Kein Ende in Sicht

Nach fast zwei Jahren ist das Pandemiemanagement der deutschen Regierung so kurzsichtig und verantwortungslos wie eh und je. In der Jungle World vom 23.12.2021

Wenn die Coronakrise ein dystopischer Film wäre, hätte das Drehbuch dazu überall wegen vollständiger Unglaubwürdigkeit Ablehnungen kassiert – diesen Satz hat man so ähnlich in den vergangenen zwei Jahren häufig gehört oder gelesen. Und tatsächlich kam man sich oft vor wie in einem sehr schlechten Film, den man nur leider nicht abschalten konnte. Im vergangenen Jahr um diese Zeit gab es immerhin noch die Hoffnung, ein Impfstoff könne die Pandemie beenden – dieses Jahr hoffen nur noch ein paar unerschütterliche Zweckoptimisten darauf, dass der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich für ausreichende Maßnahmen einsetzt. Im ersten Corona-Winter war wohl kaum jemand so pessimistisch gewesen, zu befürchten, dass ein Jahr später die Todesrate in Sachsen höher sein würde als in Brasilien, aber diese Variante von »Deutschland kann failed state« ist nunmehr eingetreten – ganz ohne Coronaleugner an der Regierung.

Der neue Expertenrat der Bundesregierung warnte am Wochenende vor einer »explosionsartigen« Verbreitung der neuen Omikron-Variante, diese werde »eine neue Qualität der Pandemie« bedeuten. Schnell steigende Inzidenzen würden zudem hohe Risiken für die kritische Infrastruktur bedeuten, wie etwa Krankenhäuser, Feuerwehr, aber auch »Strom- und Wasserversorgung und die entsprechende Logistik«. Nötig seien deshalb Kontaktbeschränkungen »bereits für die kommenden Tage«, Booster-Impfungen allein würden keine ausreichende Eindämmung der Omikron-Welle bewirken.

Mit der Ernennung Lauterbachs zum Gesundheitsminister wollte die neue Regierung womöglich signalisieren, dass sie die Bekämpfung der Pandemie ernst nimmt. Doch schloss auch er am Sonntag einen Lockdown zu Weihnachten aus. Ein Beschlussvorschlag für die Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag sah erst für die Zeit nach dem 28. Dezember weitere Kontaktbeschränkungen vor. Doch auch wenn am Dienstag nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe schärfere Maßnahmen beschlossen wurden, werden sie für einige zu spät kommen – zum Großteil für diejenigen, die abseits von Lippenbekenntnissen stillschweigend als entbehrlich wahrgenommen werden: die Alten, die Behinderten, die Vorerkrankten, die Armen.

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