Die Regelung für eine vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags nimmt Formen an, in nd am 28. April 23
Menschen, die sich nicht dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht zugehörig fühlen, sollen mit dem Selbstbestimmungsgesetz künftig einfacher ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern können. Statt wie bisher nach dem Transsexuellengesetz langwierige und teure psychologische Gutachten in einem Gerichtsverfahren einbringen zu müssen, soll die Personenstandsänderung in Zukunft mit einem Gang zum Standesamt erledigt werden können. Ziel des Gesetzes sei es, die Änderung des Geschlechtseintrags »zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren und eine selbstbestimmte Änderung der Geschlechtsidentität zu regeln«, heißt es in dem Entwurf, der dem »nd« vorliegt. Wie bisher kann zwischen den Einträgen männlich, weiblich, divers und kein Eintrag gewählt werden. »Dem TSG liegt ein medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit zugrunde«, heißt es zur Notwendigkeit einer Reform in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Die Bundesregierung hatte die Reform bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Im Juni 2022 war ein Eckpunktepapier zu dem Vorhaben vorgestellt worden, seitdem hatten Streitigkeiten in der Koalition – vor allem zwischen Frauenmininsterin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) – die Veröffentlichung eines abgestimmten Gesetzesentwurfs immer wieder verzögert. Buschmann scheint es sich zum eigenen Anliegen gemacht zu haben, rechte transfeindliche Stichpunkte in die Debatte einzubringen. Etliche davon finden sich nun auch im am Donnerstag geleakten Gesetzentwurf.
Dazu gehört die Wartefrist von drei Monaten, in der laut Entwurf der Antrag auf Änderung beim zuständigen Amt zurückgezogen werden kann. Die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen wird erst danach gültig. Dies gilt künftig auch für intergeschlechtliche Personen, deren Situation sich damit verschlechtert. Für einige Lebensbereiche sieht der Gesetzentwurf zudem Sonderregeln vor, das sind vor allem Quotenregelungen, Fragen des Zugangs zu Räumen und Veranstaltungen, Sport, medizinische Behandlungen, der militärische Verteidigungsfall und das Verhältnis zwischen Eltern und Kind.
Entschädigungszahlungen für Menschen, die durch verfassungswidrige Regelungen ihre Fruchtbarkeit, ihre Ehe oder die Erziehungsberechtigung verloren haben, sind hingegen nicht vorgesehen.
Vor allem die gesonderten Zugangsregelungen hatten für Befürchtungen von Diskriminierung und Ausschluss gesorgt. Zwar betont der Entwurf, dass sich an den bisherigen Regelungen nichts ändert, da die Ausübung des Hausrechts und der Geltungsbereich des allgemeinen Gleichheitsgesetzes gelte. Ein genereller Ausschluss von trans Frauen aus Frauenräumen ist nicht möglich, zudem weist die Gesetzesbegründung darauf hin, dass die Kontrolle von Ausweispapieren für die Benutzung vorn Toiletten und Umkleideräumen eher ungewöhnlich ist. Allerdings dürften einzelne Personen weiterhin auf Grundlage eines Bedürfnisses »nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit« aus bestimmten Räumen ausgeschlossen werden. Die explizite Erwähnung, obwohl sich gar nichts ändert erscheint ungewöhnlich und beunruhigt die Betroffenen. Viele lesen dies als Aufforderung, trans Personen unter Berufung auf persönliches Unwohlsein aus geschlechtsspezifischen Räumen zu entfernen.
Der Gesetzentwurf enthält auch ein Offenbarungsverbot, das mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro belegt ist. Ein generelles Verbot des Misgenderns oder Deadnamings, also den abgelegten Namen zu benutzen oder absichtlich das falsche Geschlecht gibt es jedoch nicht.
Gesetze benennen auch immer die erwarteten Kosten für die beteiligten Institutionen. Mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz fallen in der Verwaltung und an den Gerichten Kosten weg, besonders auffällig ist dies allerdings für die Betroffenen. Diese sparen künftig durch den Wegfall der psychologischen Gutachten jährlich 3 736 000 Euro an Verfahrenskosten und 21 600 Stunden Zeitaufwand pro Person.
Kathrin Vogler, die queerpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, erklärte: »Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren genau anschauen, welche Einschränkungen in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Ob Hausrecht, Anwartschaftszeit oder Sonderregelungen für den Sport – einiges erscheint mir nicht plausibel und im Sinne der Betroffenen geregelt.«
Das Gesetz soll nun in die Ressortabstimmung, die Verbändeanhörung soll Anfang Mai beginnen. Einen Kabinettbeschluss soll es noch im Sommer geben.