Verbände kritisieren den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes, nd am
Dienstagnacht endete die Frist für Verbände, zum aktuellen Referentenentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz Stellung zu nehmen. Betroffenenverbände begrüßen, dass die Änderung des Personenstandes und des Vornamens vereinfacht werden soll, üben jedoch an den zusätzlichen Regelungen Kritik. Frauengruppen und rechte Politiker*innen lehnen die Änderung generell ab und rufen zum Widerstand auf.
Das geplante Selbstbestimmungsgesetz soll das Transsexuellengesetz von 1981 ablösen, nach dem trans, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen ihren Geschlechtseintrag nur mit zwei psychologischen Gutachten und einem Gerichtsurteil ändern können. Die bisherigen Verfahren sind teuer und können Jahre dauern, zudem werden den Betroffenen häufig entwürdigende und peinliche Fragen gestellt. Künftig soll eine Selbstauskunft im Standesamt ausreichen, um den Vornamen und den Geschlechtseintrag zu ändern. Möglich ist, wie bisher auch, männlich, weiblich, divers oder kein Eintrag, eine erneute Änderung soll nach einem Jahr möglich sein.
Bereits Ende Juni des vergangenen Jahres hatten das Justiz- und das Frauenministerium gemeinsame Eckpunkte für das neue Gesetz vorgestellt. Seitdem hat es beinahe ein Jahr gedauert, bis die Ministerien sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigen konnten. Dies hat auch deshalb so lange gedauert, weil Justizminister Marco Buschmann (FDP) darauf bestand, Passagen einzufügen, die einem Missbrauch des Gesetzes vorbeugen sollen. Im Interview mit dem queeren Berliner Stadtmagazin »Siegessäule« erklärte Buschmann, es sei wichtig, in dem Gesetz selbst Vorbehalte zu adressieren, die es in Teilen der Bevölkerung gebe, sonst riskiere man »erbitterte Auseinandersetzungen«.
Das Gesetz soll vor allem Rechtssicherheit für trans und intergeschlechtliche Personen schaffen und die derzeitige Rechtslage vereinheitlichen. Regelungen, die den Menschen, die von diesem Gesetz profitieren sollten, nicht nützten, sondern sich lediglich mit Vorbehalten anderer Bevölkerungsgruppen beschäftigten, verstärkten diese, statt sie abzubauen, befürchten die Organisationen der Selbstvertretung. Trans, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen würden so unter einen Generalverdacht gestellt, kritisiert der Bundesverband Intergeschlechtliche Menschen e.V. in seiner Stellungnahme.
Auch die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hatte Nachbesserungen angemahnt. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetzesentwurf sei überflüssig, in der Begründung lasse sich das Gesetz fatalerweise »auf unsachliche Debatten aus den sozialen Medien ein«. Der Bundesverband Trans* e.V. stellt in seiner Stellungnahme fest, dass viele trans und nicht binäre Personen, insbesondere trans Frauen, geschlechtergetrennte Räume »aufgrund vorangegangener oder befürchteter Diskriminierungserfahrungen bewusst meiden« würden. Auch der Bundesverband Intergeschlechtliche Menschen beklagt »Diskriminierungen, Beleidigungen, Herabwürdigungen und ehrabscheidende Behauptungen« und fordert einen »umfassenden Diskriminierungsschutz«.
Der vermeintliche Schutz von cis weiblichen Personen über das Hausrecht führt zudem eher zu Verwirrung statt zu mehr Sicherheit: Aus den USA, wo in einigen Bundesstaaten trans Personen per Gesetz gezwungen werden, die Toiletten zu benutzen, die ihrem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht entsprechen, wurden mittlerweile Fälle bekannt, in denen cis Frauen aus Frauentoiletten geworfen wurden, weil sie für trans gehalten wurden.
Aus Ländern, die teilweise seit Jahren Gesetze haben, die es trans, inter und nicht binären Menschen ermöglichen, durch eine einfache Selbsterklärung ihr eingetragenes Geschlecht und ihren Vornamen zu ändern, gibt es hingegen keine Berichte über einen Missbrauch dieser Regelungen, der über wenige Einzelfälle hinausgeht. In Argentinien ist dies bereits seit 2012 möglich.
Selbst Buschmann hält das Szenario des cis Mannes, der seinen Geschlechtseintrag zu weiblich ändert, nur um in Frauenräume einzudringen, für »abwegig«. Dieses Phantasma wird jedoch immer wieder beschworen, um gegen das Gesetz zu argumentieren, auch in verschiedenen Stellungnahmen. Noch weitergehend behauptet die Initiative »Geschlecht zählt«, die nach eigenen Angaben von frauenbewegten Feministinnen gegründet wurde, das geplante Gesetz würde die »geschlechtsbedingten Menschenrechte von Frauen untergraben und aushebeln«. In diesen Befürchtungen treffen sie sich mit Anti-Gender-Aktivist*innen von rechts wie Birgit Kelle, die in der »Preußischen Allgemeinen« orakelt, die Möglichkeit zur Selbstauskunft über das eigene Geschlecht gefährde jede »Errungenschaft der Frauenbewegung«. Kelle spricht gerne auf Kundgebungen von Abtreibungsgegner*innen und will Frauen vor einem Recht auf Schwangerschaftsabbruch schützen. Mit ihrem Buch »Dann mach doch die Bluse zu« verhöhnte sie schon 2013 die Opfer von sexualisierten Übergriffen. Dass ihr nun sauber nach Geschlechtern getrennte Toiletten als verteidigenswerte feministische Errungenschaften gelten, wird wohl an dem Erfolg der Anti-Trans-Kampagnen rechtsextremer Republikaner in den USA liegen, die hiesige Akteur*innen nur zu gerne imitieren würden.