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Faschismus benennen, Solidarität zeigen, Zivilgesellschaft stärken

So denkt die Zivilgesellschaft in Sachsen und Thüringen nach den Landtagswahlen. Für Belltower News 02.09.2024

Die Voraussagen haben sich bewahrheitet, eine extrem rechte Partei hat in Thüringen die meisten Stimmen bekommen. Obwohl es niemanden wirklich überrascht, die Sorgen in der Zivilgesellschaft hatten zugenommen, je näher die Wahlen rückten.

In Thüringen und Sachsen gilt die AfD als gesichert rechts­extremistisch. Trotzdem oder gerade deswegen ist die Partei als stärkste und zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Der Leipziger Soziologe Thorsten Mense denkt, dass die Wahlergebnisse „dem autoritär-rassistischen Milieu weiteren Aufschwung und ein noch stärkeres Selbstbewusstsein geben werden. Dies wird sich in vielen Landesteilen Sachsens und Thüringens im Alltag und auf den Straßen bemerkbar machen und stellt bereits jetzt, auch ohne eine Regierungsbeteiligung der AfD, eine konkrete Gefahr dar.“

Die Debatten über vermeintliche Protestwähler*innen müssten angesichts dieser Ergebnisse aufhören: „Zum ersten Mal seit Ende des Nationalsozialismus hat eine rechtsextreme Partei eine Landtagswahl gewonnen. Noch dazu mit einem Landesverband, der von einem völkischen Nationalisten angeführt wird, der gerichtlich bestätigt als Faschist bezeichnet werden darf. Dass die AfD dort trotz Björn Höcke, oder vielleicht gerade wegen ihm, zur Wahlsiegerin wurde, sollte alle Diskussionen darüber beenden, ob die Menschen aus Protest oder Unzufriedenheit die Partei wählen,“ so Mense im Gespräch mit Belltower.News. Über 32 Prozent der wählenden Bevölkerung habe bewusst ihre Stimme für einen „neuen Faschismus“ gegeben. „Erschreckend ist außerdem, dass die AfD ihren Stimmenzuwachs an zweiter Stelle vorherigen Linken-Wähler*innen zu verdanken hat, was das autoritäre Potenzial in diesem Lager deutlich sichtbar macht“, sagt der Soziologe.

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Selbstbestimmungsgesetz: Wie Standesämter neue Hürden bei der Änderung des Geschlechtseintrags errichten

Eigentlich soll die Änderung des Geschlechtseintrags einfacher werden. Doch Betroffene stoßen jetzt bei Standesämtern auf neue Probleme – auch in Berlin. Im Tagesspiegel, 22.08.2024

Die nicht-binäre Künstler*in Navina Mai möchte ihren Geschlechtseintrag zu divers anpassen, ihre Namen aber behalten. „Das Standesamt Potsdam hat mir per Mail mitgeteilt, dass mein Name ‚Navina‘ geprüft werden muss, da dieser als weiblich kategorisiert wird. Mich wühlt das alles sehr auf, da ich das Gefühl habe, dass ich wieder einer Willkür ausgesetzt bin.“

Wie Navina Mai geht es derzeit vielen Betroffenen, die sich vom neuen Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) viel versprochen haben. Am 1. November tritt es in Kraft, dann können Personen ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen.

Leider hinter paywall

Immer wieder falsche Instrumente

Statt Islamismus sinnvoll zu bekämpfen, überschlägt sich die Politik mit platten Forderungen. Ein Kommentar bei Belltower News, 26.8.2024

Drei Menschen sind tot, acht weitere teilweise schwer verletzt im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter ist mittlerweile gefasst, die islamistische Terrororganisation Daesh (Islamischer Staat) hat sich zur Tat bekannt.

Politiker*innen fast aller Parteien überbieten sich nach dem Anschlag auf die Besucher*innen des Solinger Stadtfest mit populistischen Forderungen und Ankündigungen: Abschieben, Messerverbote, Grenzen dicht.

Das Bedürfnis nach Schutz und unbeschwertem Feiern ist verständlich und nachvollziehbar. Ein vollkommen sicheres Leben ist jedoch nicht möglich. Erst recht nicht mit reiner Symbolpolitik auf dem Rücken von Geflüchteten. Stattdessen bedrohen Maßnahmen, die die Rechte und Möglichkeiten von Geflüchteten einschränken, „unsere Lebensweise“ (Olaf Scholz), die damit angeblich geschützt werden soll.

Es gibt unter den nach Deutschland Geflüchteten Islamist*innen und religiöse Fundamentalist*innen. Im Normalfall leiden darunter besonders andere Geflüchtete, die queer sind, alleinerziehende Mütter oder einfach nicht religiös. Sie müssen mit diesen religiösen Extremist*innen in Heimen zusammen leben. Das ist der Mehrheitsgesellschaft in der Regel aber völlig egal, die Menschen werden jahrelang auf engem Raum zusammengepfercht und sollen noch dankbar sein, überhaupt hier bleiben zu dürfen. Diese Menschen werden am meisten darunter leiden, wenn Deutschland sich weiter abschottet und Abschiebungen intensiviert.

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„Pride Soli Ride“ fährt zu CSDs in Kleinstädten

Interview auf Belltower News, 13. August 2024

Ein Gespräch mit der Gruppe „Pride Soli Ride” über den CSD in Bautzen, Solidarität mit Queers in Ostdeutschland und was die Zeit nach den Landtagswahlen bringen kann.

Belltower.News: Als Anfang des Jahres nach der Correctiv-Enthüllung Massen gegen rechts auf die Straße gingen, redeten viele Linke, Queers, von Rassismus betroffene und jüdische Menschen übers Auswandern, wenn Deutschland zu gefährlich würde. Sie organisieren Solidarität in Orte, wo Deutschland schon gefährlich ist. Beobachten Sie eine Abwanderung aus den ostdeutschen Kleinstädten in die größeren Städte?
Pride Soli Ride: Das ist schon lange passiert. Anfang August hat beim Brandenburg Abend im Berliner Club „about blank“ eine 17jährige aus Bautzen von ihren Erfahrungen erzählt vor dem CSD in der Stadt. Sie meinte, es sei total schräg, es gebe die Jugendlichen, die sich engagieren und dann die Älteren, die so ab Mitte 40 aufwärts sind und die Generation dazwischen fehle. Dann hab ich mich so ertappt gefühlt, das bin ich und das sind meine Freunde, die in den Nullerjahren aus der Provinz weggezogen sind. Das war auch richtig damals, weil ich es nicht ausgehalten hab und so alleine und frustriert war. Aber die Leute, also wir, fehlen jetzt offensichtlich in der Zivilgesellschaft und beim Aufbau vom lokalen Widerstand gegen Rechts. Die anderen sind ja geblieben. Und jetzt wird wieder so was passieren, wenn wir es nicht schaffen, das noch rumzureißen, weil es wahnsinnig anstrengend ist, sich immer wieder bestimmten Belastungen auszusetzen.

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Preis für behinderte Medienschaffende

Für verdi, 24. April 2024

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung.

Anders als andere Diversitäts- und Diskriminierungsmerkmale wie Geschlecht, sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft kann Behinderung jede*n betreffen, ein Autounfall oder eine schwere Krankheit genügen. In Deutschland sind rund acht Millionen Menschen schwerbehindert, also fast jede*r zehnte.

Trotzdem kommen Menschen mit Behinderungen in den Medien wenig vor, und auch in Redaktionen sind Journalist*innen mit Behinderung deutlich unterrepräsentiert. Daher ist es der Stiftung ein Anliegen, Medienschaffende mit Behinderung bei der Ausübung ihres Berufes zu unterstützen.

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Ist Pränataldiagnostik ableistisch?

Medizinische Tests erkennen Behinderungen schon in der Schwangerschaft. Viele Feminist*innen sehen das als Teil der reproduktiven Selbstbestimmung, für die sie kämpfen. Doch wo hört diese auf und wo fängt Ableismus an? im Schwerpunkt „Ableismus bekämpfen“ im Missy Magazine 02/2024, 11.03.2024

Hat der Pro-Choice-Feminismus ein Ableismusproblem? Stellen wir uns vor, eine junge weibliche Person mit einer sichtbaren Behinderung will gegen den „Marsch für das Leben“ in Berlin demonstrieren. Seit in den USA der Oberste Gerichtshof im Juni 2022 das Urteil „Roe vs. Wade“ und damit das Recht auf Abtreibung gekippt hat, ist in manchen Bundesstaaten Abtreibung ganz unmöglich geworden. Aber nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland wollen selbsternannte „Lebensschützer*innen“ Gesetze verschärfen und ungewollt Schwangere unter Druck setzen. Dieser Angriff auf reproduktive Rechte hat viele Leute mobilisiert. In Berlin ruft der Bundesverband Lebensrecht jedes Jahr im September zu einer Demonstration auf, Feminist*innen stellen sich dem entgegen. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung beschallt dabei meist die Auftaktkundgebung der Fundi-Christ*innen am Brandenburger Tor mit feministischen Liedern und aufklärerischen Reden. Hier könnte die junge

Feministin mit Behinderung einer Rede zuhören, in der kritisiert wird, dass Menschen mit Behinderung oft Probleme haben, eine gynäkologische Praxis zu finden und ihnen häufig nicht zugetraut wird, selbst Kinder zu bekommen – reproduktive Rechte schließen auch das Recht ein, sich für Kinder entscheiden zu können. Wozu es auf der Kundgebung keinen Redebeitrag geben würde, sind vorgeburtliche Untersuchungen, bei denen nach einer Behinderung des Fötus gesucht wird (Pränatale Diagnostik, PND). Auch späte Abtreibungen nach einer solchen Diagnose thematisiert das Bündnis nicht. 

Es könnte passieren, dass die junge Feministin als sichtbar behinderte Person von einem älteren Mann angesprochen wird, der sie segnen will, und sie fragt, ob sie denn nicht leben wolle. Denn „Lebensschützer*innen“ versuchen immer wieder, Gegenkundgebungen zu infiltrieren. Menschen mit kleinen Kindern oder mit Behinderungen sind beliebte Zielgruppen für ihre gezielten Ansprachen. Abtreibungsgegner*innen sind überzeugt, dass…

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Hinweis in eigener Sache

Bitte stellt eure/ihre Veranstaltungsanfragen so konkret wie möglich. Leider denken viele, erst mal unkonkret anzufragen, ohne Datum, Honorarvorstellung oder spezielles Thema sei nett und höflich, es ist aber leider aufwendig und anstrengend und macht freien Autor*innen/Speaker*innen das Leben unnötig schwer.

9. November: Was heißt »nie wieder«?

Eine kritische Nachbetrachtung der Gedenkveranstaltungen zum 9. November im nd vom 11.11.23

85 Jahre nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 ist offenes jüdisches Leben in Deutschland wieder massiv in Gefahr. In den vergangenen Wochen wurden Synagogen und jüdische Friedhöfe angegriffen, Häuser mit Davidsternen markiert und Poster mit den Namen und Gesichtern der nach Gaza verschleppten Geiseln abgerissen und beschmiert. Jüd*innen vermeiden es, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen und Orte jüdischen Lebens aufzusuchen.

Das Versprechen »Nie wieder!«, das alljährlich am 9. November erneuert wird, galt nie absolut. Das offizielle Gedenken war eher eine Pflichtveranstaltung für den guten Ruf im Ausland als eine tatsächliche Auseinandersetzung mit antisemitischen und anderen menschenfeindlichen Tendenzen.

Diesmal hat der Jahrestag der Reichsprogramnacht eine besondere Bedeutung. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel, bei dem 1400 Menschen ermordet wurden, war erst gut einen Monat her. 240 Geiseln hat die Hamas seitdem in ihrer Gewalt, darunter auch Kleinkinder. Israel wird weiterhin täglich mit Raketen beschossen, wegen der andauernden Gefahr mussten bislang über 250 000 Israelis ihr Zuhause verlassen.

Raketen auf Israel? In der Berichterstattung spielt das kaum eine Rolle, das Interesse hat sich auf den Krieg im Gazastreifen und die dortigen Opfer verlagert. Viel zu häufig wird Israel dabei als Aggressor dargestellt. Die Zäsur, die das Pogrom des 7. Oktober bedeutet, scheint bereits in den Hintergrund zu gleiten. An keinem anderen Tag seit der Shoah wurden so viele jüdische Menschen ermordet. Das Land, das Jüd*innen Zuflucht vor Pogromen und Angriffen verspricht, fühlt sich nicht mehr sicher an. Israels Recht auf Selbstverteidigung wird angezweifelt und relativiert.

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Free whom from what now?

Die Probleme der linken Palästina-Solidarität, Kommentar im nd vom 21.10.2023

»Free Palestine from German guilt«, riefen mehrere Dutzende Protestierende, die am Mittwochabend eine Blockade vor dem Auswärtigen Amt in Berlin bildeten. Auf dem von der »Berliner Zeitung« verbreiteten Video ist zu erkennen, dass es größtenteils links und westlich aussehende junge Menschen sind, die diese Parole rufen. Vom »deutschen Schuldgefühl« wollen sie Palästina befreien, offensichtlich in der Annahme, dass die deutsche Gesellschaft und der deutsche Staat ohne dieses spezifisch deutsche Schuldgefühl den »Befreiungskampf« der Palästinenser*innen unterstützen würden.

Gegen den »deutschen Schuldkult« wettern sonst extreme Rechte, Nazis und die AfD, denen die kritische Erinnerung an den Nationalsozialismus naturgemäß widerstrebt. Sie möchten das Gedenken an die Shoah beenden, damit Deutschland wieder eine stolze, eine vermeintlich normale Nation sein kann. Je weniger die Handlungen und Ideologien der Nationalsozialisten problematisiert werden, desto weniger problematisch erscheint aufgewärmte und modernisierte Nazi-Propaganda. Das ist zwar ekelhaft, hat aber seine eigene Logik.

Warum aber schlagen Linke in die gleiche Kerbe? Tatsächlich ist dieser Slogan nicht neu, er ist seit Jahren auf Kreuzberger Demonstrationen zum 1. Mai und auf alternativen Pride-Paraden zu hören. Häufig kommt der Vorwurf eines falschen und fehlgeleiteten Schuldgefühls der Deutschen von Linken, die in spanisch- oder englischsprachigen Ländern sozialisiert worden sind. Aber auch dogmatische maoistische, leninistische und andere »rote Gruppen«, genauso wie antikoloniale Queers, nutzen diese Kritik an der deutschen Erinnerungskultur. Das Beharren auf der eigenen, deutschen Verantwortung für die Shoah und dem Versuch, dem Schwur »Nie wieder!« gerecht zu werden, gilt ihnen nicht als verantwortungsvoller Umgang mit der NS-Vergangenheit, sondern als Hindernis im politischen Kampf.

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Corona: Lieber alle impfen

Zwar ist der neue Corona-Impfstoff da, doch unklare Informationen halten Ärzte zurück, im nd vom 26.09.2023

Seit Montag sind in Deutschland neue angepasste Impfstoffe gegen die aktuellen Coronavarianten verfügbar. Der erste Herbst ohne Schutzmaßnahmen lässt auch das Ansteigen weiterer Atemwegserkrankungen befürchten.

Die nächste Corona-Welle rollt pünktlich zum kalendarischen Herbstbeginn: Auch Finanzminister Christian Lindner und Verteidigungsminister Boris Pistorius haben sich mit Corona infiziert und mussten in dieser Woche Termine absagen. Seit einigen Wochen registrieren die Labore wieder mehr Covid-Infektionen. Mit einer sehr verminderten Test-Infrastruktur und wenig Aufklärung über die aktuellen Symptome sind die Zahlen jedoch nicht mit denen des vergangenen oder vorvergangenen Jahres zu vergleichen.

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