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Gegen die Norm

Abweichungen beim Fötus lassen sich früher und sicherer feststellen. Verfestigt wird ein Weltbild, das Behinderung als Belastung begreift. Meinung in der taz vom 14.09.17

Die „Wahlarena“ mit Angela Merkel, eine ARD-Sondersendung am vergangenen Montag. Eine junge Frau mit Trisomie 21 konfrontierte die Kanzlerin mit dem Problem pränataler Diagnostik und möglichen Schwangerschaftsabbrüchen: „Neun von zehn Babys mit Downsyndrom werden in Deutschland nicht geboren“, sagt die junge Frau. „Sie werden abgetrieben.“ Der Applaus im Publikum ist groß.

Wenn „Lebensschützer“ die Sendung gesehen haben, werden sie sich wohl gefreut haben. Als die Erstwählerin Natalie Dedreux hinzufügte: „Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben“, mögen sie gejubelt haben: Etwas Besseres, als Menschen mit ­Behinderung, die Föten als Baby bezeichnen und sich im Fern­sehen so sehr mit diesen iden­tifizieren wie die junge Frau, kann ihnen wenige Tage vor der wichtigsten bundesweiten ­Demonstration gegen Abtreibung in Deutschland nicht passieren.

Der „Marsch für das Leben“, bei dem an diesem Samstag mehrere tausend Abtreibungsgegner durch Berlin demons­trieren, hat in den letzten Jahren verstärkt Kritik an Pränataldiagnostik und Sterbehilfe artikuliert. Der nichtinvasive pränatale Test auf Trisomie 21 – der Praenatest, ein Bluttest, für den es keiner Fruchtwasserunter-suchung mehr bedarf – stand bei der letztjährigen Auftaktkundgebung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Damit will der veranstaltende Bundesverband Lebensrecht (BVL) das reaktionäre Fundi-Image der „Lebensschützer“ bekämpfen und die Bewegung als die Interessenvertretung behinderter Menschen positionieren.

Der Beitrag der jungen Frau in der ARD-Sendung zeigt, dass Menschen mit Behinderung sich recht gut selbst vertreten können. Dennoch geht die Kritik von Dedreux am Kern des Problems vorbei und spielt so reaktionären Anti-Abtreibungs-Positionen in die Hände, die die vermeintlichen Interessen der Föten gegen die realen der Schwangeren in Stellung bringen wollen.

Menschen mit Behinderung ernst zu nehmen, heißt auch, sich mit ihren Ansichten ernsthaft auseinanderzusetzen und sie nicht abzufeiern: Alles für die pure Weisheit zu halten, weil es eine Person mit Behinderung gesagt hat, wäre auch eine Form von Diskriminierung.

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16.11. – Mainz

Mein Körper gehört dir?! Eine feministische Kritik an der Reproduktionsmedizin

Vortrag | 18 Uhr | Heinrich Böll Stiftung RLP, Walpodenstr. 10

Raum ist barrierefrei

Veranstaltet vom Frauenzentrum Mainz

Ob In-Vitro Fertilisation, „Social Freezing“, Samenspende,  „Leihmutterschaft“  oder Eizellgabe – durch solche Angebote assistierter Reproduktionstechniken ist inzwischen vieles technisch machbar. Einiges davon ist weder verboten noch erlaubt, da die Technologien erst nach in Kraft treten des Embryonenschutzgesetzes  entwickelt wurden. Seit einigen Jahren werden die Forderungen nach einer  „Reform“ des Embryonenschutzgesetzes bzw. nach einem „modernen“, wenig einschränkenden, liberalen Fortpflanzungsmedizingesetz immer lauter. Diese argumentieren mit der Selbstbestimmung der „Spenderinnen“, dem starken Kinderwunsch der „Bestelleltern“ und dem Wohl des Kindes.Bedeutet ein Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung auch ein Recht auf eine eigene (biologische) Familie? Ist die Einschränkung der Möglichkeit zur Familiengründung eine Diskriminierung? Wie könnte assistierte Reproduktion weniger heteronormativ geregelt werden?  Bei all den Fragen braucht es eine (queer)feministische kritische Auseinandersetzung mit den  Liberalisierungstendenzen und unserem feministischen Selbstbestimmungsbegriff. Im Vortrag sollen die Zugänge zu assistierter Reproduktion erläutert und kritisch hinterfragt werden, welche gesellschaftlichen und gesundheitlichen Konsequenzen die Legalisierung von Eizellgabe und „Leihmutterschaft“  nach sich ziehen würden.

Doku einer gescheiterten Anfrage

Der untenstehende Artikel ist sicherlich kein besonders geschliffenes Juwel, aber darum geht es auch nicht. Ich habe mich entschieden, ihn hier zu veröffentlichen, nachdem die Kommunikation mit den Herausgeber_innen der Schweizerischen geschichts- und gesellschaftpolitischen Plattform „Geschichte der Gegenwart“ völlig gegen die Wand gefahren ist.

Die Macher_innen können das Problem nicht erkennen, das darin liegt, mich um einen nicht näher spezifizierten (unbezahlten) Text zu meinen Themen gebeten zu haben und nun diesen Text nicht veröffentlichen zu wollen, ohne dass ich sehr umfängliche und tiefgreifende Überarbeitungen formaler, inhaltlicher und politscher Art vornehme. Meine  Ansage war allerdings schon bei der Anfrage, dass ich eigentlich kaum Zeit habe…

Dies ist daher auch eine Warnung an Kolleg_innen bei Anfragen dieser Plattform genaue Absprachen zu treffen.

Die Forderung nach Selbstbestimmung kann ohne eine ausdifferenzierte Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse nicht verwendet werden, da sie auch neoliberal, unemanzipatorisch oder partikular nur für die eigene Zielgruppe gegen das Befreiungsbedürfnis anderer verwendet werden kann – der feministische Kampf für das Recht auf Abtreibung ist in Teilen ein schlechtes Beispiel dafür.

Das Recht auf Abtreibung ist unter Feministinnen wieder ein Thema geworden – das ist erfreulich. Drohende Gesetzesverschärfungen wie kürzlich in Polen, die Wiedereinsetzung der „Global Gag Rule“ unter Donald Trump, die Nichtregierungsorganisationen, die über Abtreibungen informieren oder unterstützen, von jeglicher Finanzierung ausschließt und von Abtreibungsgegner_innen veranstaltete „Märsche für das Leben“ erregen wieder öffentliche Aufmerksamkeit, Empörung und Protest. Diesen Entwicklungen gilt es sich entgegenzustellen. In dieser Situation ist es aber auch wichtig, die Beschränkungen der vergangenen feministischen Bewegungswellen zu diskutieren und zu vermeiden.

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Sind Genreparaturen ethisch vertretbar?

Am 04.08. war ich Studiogast  im WDR 5 Tagesgespräch zu der Nachricht, dass es einem US-amerikanische Forschungsteam gelungen sei, eine „Erbkrankheit“ aus einer befruchteten Eizelle herauszu“schneiden“. Hier zum Nachhören.

Don’t believe the hype

Forscher haben erstmals ein defektes Gen aus menschlichen Embryonen entfernt. Wann wird ein solcher Diskurs behindertenfeindlich? Kommentar in der taz vom 03.08.17

Das war die Wissenschaftsnachricht der Woche: Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat erfolgreich eine „Erbkrankheit“ aus einer befruchteten Eizelle herausgeschnitten, Fehler habe es fast nicht gegeben. Leiter des Teams ist der für Tabubrüche bekannte Shoukhrat Mitalipov, der 2007 mit dem ersten geklonten Affen und 2013 mit den ersten geklonten menschlichen Embryos Schlagzeilen machte.

Bei der als Genome Editing bezeichneten Methode werden als problematisch identifizierte Stellen in der DNA angesteuert und entfernt oder ersetzt. Klingt einfach, ist es aber nicht. Warum? Weil wie das meiste im Leben auch DNA komplex ist.

Von den meisten Bereichen weiß man schlicht immer noch nicht, was sie tun. Bei einzelnen identifizierten Genen kennt man zwar eine Funktion; weiß aber nicht, ob sie nicht noch andere haben. Deswegen können beim Genome Editing die sogenannten On-Target-Fehler vorkommen: Der Schneidemechanismus hat sein Ziel exakt getroffen, dabei ist aber etwas schiefgegangen.

Darüber hinaus gibt es auch noch Off-Target-Fehler, wenn an anderen Stellen der DNA auch Veränderungen vorgenommen werden, weil die so ähnlich aussehen wie die Zielregion. Außerdem kann es zur Mosaikbildung kommen, wenn die problematische DNA-Stelle nur aus einigen, aber nicht aus allen Zellen entfernt wird. Die aktuelle Studie präsentiert sich in dieser Hinsicht als erfolgreich: Es habe keine Off-Target-Effekte und nur eine Mosaikbildung ­gegeben.

Allerdings streitet sich die Wissenschaftscommunity gerade darüber, wie genau und intensiv nach den Fehlern gesucht werden muss, um die Behauptung aufstellen zu dürfen, es gebe keine. Dieser Streit ist gut und nötig, hat doch das Schlagwort „Präzision“ den unkritischen Hype um die neuen Techniken enorm befeuert.

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„Neue Technologien, alte Gesetze“

Im Auftrag des Gunda Werner Institut in der Heinrich Böll Stiftung habe ich für das Gen-ethische Netzwerk die Handreichung „Neue Technologien, alte Gesetze“ zum Stand (06/17) der Debatte um eine Liberalisierung der Fortpflanzungstechniken erstellt.

Diese Handreichung ist eine politikwissenschaftliche Bewertung von Entwürfen für ein Fortpflanzungsmedizingesetz. Sie stellt die wichtigsten Akteure im Feld sowie die aktuelle Rechtsprechung zu neuen Technologien und Familienformen im Kontext von Reproduktionstechnologien komprimiert dar.

Die Überzeugung, dass das deutsche Embryonenschutzgesetz (EschG) der Überarbeitung bedarf, hat sich mittlerweile so verbreitet, dass sie keiner weiteren Begründung bedarf. Und tatsächlich: Das Gesetz ist von 1990 (Inkraftgetreten am 1. Januar 1991), es kann daher keine expliziten Aussagen zu Technologien treffen, die erst danach entwickelt wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) ist so zum „Reparaturbetrieb“ geworden und springt ein, wo der Gesetzgeber untätig ist. Die in diesem Bereich ergangenen Urteile sollen hier dargestellt und ihre Auswirkung analysiert werden. Seit einigen Jahren werden die Stimmen immer lauter, die eine Reform des Embryonenschutzgesetzes bzw. die Ausformulierung eines „modernen“, permissiven, liberalen Fortpflanzungsmedizingesetzes (FmedG) fordern. Hierfür liegen verschiedene Vorschläge und Positionspapiere vor, die in dieser Handreichung einer politikwissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden, um dominante Argumente zu identifizieren und weitergehende Fragen abzuleiten. Mit der vorliegenden Handreichung wird außerdem der Stand der technischen Entwicklung und ihrer Regelung dargestellt und reflektiert.

Für die nächste Legislaturperiode wird ein erneuter Liberalisierungs-Vorstoß erwartet, für dessen Bewertung das vorliegende Papier eine Grundlage bieten kann.

Aus dem Inhalt:

Reproduktionstechniken im Überblick

Wichtige Akteur*innen und ihre Positionen

Relevante Gerichtsurteile

Ausblick

Hier kann die Handreichung als PDF heruntergeladen werden.

21.10. – Magdeburg

Podiumsdiskussion „Mein Körper gehört…“ – Was genau ist sexuelle Selbstbestimmung

21. Oktober 2017 | 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr | Einlass: 19:30 Uhr
Großer Saal im Familienhaus Magdeburg | Hohepfortestr. 14 | 39106 Magdeburg

Es diskutieren:

Kirsten Achtelik (Berlin)
Dr. Mithu M. Sanyal (Düsseldorf)
Dr. habil. Viola Schubert-Lehnhardt (Halle / Saale)

Moderation: Daniela Wakonigg (Münster)
Veranstalter: IBKA

Vor 25 Jahren beschloss der Bundestag die Fristenlösung mit Beratungspflicht für Schwangerschaftsabbrüche. Das Thema ist immer noch aktuell. Nicht allein weil sogenannte „Lebensschützer“ alljährlich im September zur Demonstration in Berlin aufrufen. Was genau meint sexuelle Selbstbestimmung. Kirsten Achtelik, Mithu M. Sanyal und Viola Schubert-Lehnhardt diskutieren mit Daniela Wakonigg säkulare Positionen zum Thema.
Wie selbstbestimmt sind Entscheidungen unter dem rasanten Fortschritt von Gen- und Reproduktionstechnik? Helfen vorgeburtliche Gentests den Eltern? Oder wie behindertenfeindlich ist Schwangerenvorsorge bzw. Pränataldiagnostik? Welchen Einfluss haben konservative, christliche und fundamentalistische Meinungen? Welche Frauen- und Familienbilder stecken hinter den Argumenten? Welche Argumente und Stimmungen werden bemüht rund um das Thema Selbstbestimmung – vom Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bis hin zur Sterbehilfe? Wer sind die Akteure?

14.10. – Freiburg

Buchvorstellung Selbstbestimmte Norm auf dem LADiYFEST Freiburg

S.U.S.I.-Café, Haus A, Vaubanallee 2, 79100 Freiburg
Samstag, ab 16 Uhr (ca. 2 h)
>>> Offen für alle Geschlechter
>> Karte g.maps.
>> barrierefrei, rauchfrei
Sollen Feministinnen jede Art von Abtreibung verteidigen? Können Entscheidungen überhaupt selbstbestimmt getroffen werden? Welche Art von Wissen entsteht durch pränatale Untersuchungen? Dienen sie der Vorsorge oder sind sie behindertenfeindlich?